In Deutschland soll das Elterngeld jungen Familien dabei helfen, die ersten Lebensmonate mit ihrem Kind finanziell abzusichern.

Es ist als Ausgleich für wegfallendes Einkommen gedacht und soll insbesondere ermöglichen, dass ein Elternteil  oft die Mutter, aber zunehmend auch der Vater sich für eine Zeit aus dem Berufsleben zurückzieht, um sich dem Neugeborenen zu widmen.

Doch ein genauerer Blick auf die Statistik offenbart: Die Höhe des Elterngeldes variiert erheblich und zwar systematisch zwischen Männern und Frauen. Väter erhalten im Durchschnitt deutlich mehr Elterngeld pro Monat als Mütter. Doch woran liegt das?

Die Antwort führt zu einem Kernproblem unserer Gesellschaft: strukturelle Ungleichheiten am Arbeitsmarkt, unterschiedliche Erwerbsbiografien und tradierte Rollenbilder, die sich auch 2024 noch deutlich in Zahlen widerspiegeln.

Dieser Artikel geht den Ursachen auf den Grund und beleuchtet die Hintergründe dieses Phänomens.

???? Der statistische Befund: Mehr Geld für kürzere Zeit

Laut aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts erhielten Väter, die im Jahr 2024 Elterngeld bezogen, im Durchschnitt 1.337 Euro pro Monat.

Mütter kamen im selben Zeitraum lediglich auf 830 Euro monatlich eine Differenz von über 500 Euro.

Diese Unterschiede sind auf zwei Hauptfaktoren zurückzuführen:

  1. Höhere Erwerbsquote bei Vätern vor der Geburt: 96 Prozent der Väter waren vor der Geburt ihres Kindes berufstätig, bei den Müttern lag dieser Wert bei lediglich 76 Prozent.

  2. Höheres durchschnittliches Einkommen der Väter: Erwerbstätige Väter verdienten vor der Geburt im Schnitt 2.344 Euro netto, Mütter dagegen nur 1.789 Euro.

Da das Elterngeld in Deutschland an das vorherige Nettoeinkommen gekoppelt ist – bis zu 67 Prozent davon werden ersetzt –, führt ein höheres Einkommen logischerweise auch zu einem höheren Elterngeld.

⏳ Gesamtsumme zeigt ein anderes Bild: Mütter beziehen länger

Während Väter also monatlich mehr Elterngeld erhalten, kehrt sich das Bild bei der Gesamtsumme über den gesamten Bezugszeitraum um: Väter bezogen durchschnittlich 4.185 Euro, Mütter hingegen 11.462 Euro.

Der Grund: Mütter nehmen deutlich länger Elternzeit in Anspruch.

  • Durchschnittliche Bezugsdauer bei Vätern: 3,8 Monate

  • Durchschnittliche Bezugsdauer bei Müttern: 14,8 Monate

Diese Differenz lässt sich nicht nur durch finanzielle Überlegungen erklären, sondern auch durch gesellschaftliche Erwartungen und praktische Notwendigkeiten, etwa beim Stillen oder in der Säuglingspflege.

Oft wird in Familien angenommen, dass die Mutter die Hauptverantwortung in den ersten Lebensmonaten übernehmen „sollte“ eine Vorstellung, die tief in vielen Köpfen verankert ist.

???? Höchst und Mindestbeträge: Auch hier zeigt sich das Gefälle

Im Hinblick auf den Anspruch auf den Höchstbetrag zeigt sich ein weiteres deutliches Ungleichgewicht:

  • 32 % der Väter erhielten im ersten Bezugsmonat den maximalen Satz von 1.800 Euro Basiselterngeld bzw. 900 Euro Elterngeld Plus.

  • Bei den Müttern waren es nur 12 %.

Insgesamt hatten nur 17 % aller Eltern Anspruch auf den Höchstbetrag. Um diesen zu erreichen, muss das durchschnittliche Bruttoeinkommen vor der Geburt bei mindestens 2.770 Euro monatlich liegen eine Schwelle, die viele Mütter aufgrund von Teilzeit, prekären Arbeitsverhältnissen oder beruflichen Auszeiten nicht erreichen.

Am anderen Ende der Skala zeigt sich folgendes Bild: 26 % der Mütter erhielten nur den Mindestbetrag von 300 Euro Basiselterngeld, während dies bei den Vätern nur auf 7 % zutraf. Auch hier spiegeln sich strukturelle Ungleichheiten wider, die sich nicht allein durch individuelle Entscheidungen erklären lassen.

⚖️ Die tieferliegenden Ursachen: Strukturen statt Einzelfälle

Die Unterschiede beim Elterngeld sind kein Zufallsprodukt, sondern Ausdruck tieferliegender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Strukturen.

Die Ursachen beginnen lange vor der Geburt eines Kindes bei der Berufswahl, der Karriereentwicklung, der Verfügbarkeit von Betreuungsangeboten und nicht zuletzt bei den gesellschaftlichen Erwartungen an Mütter und Väter.

1. Gender Pay Gap

Noch immer verdienen Frauen in Deutschland im Schnitt deutlich weniger als Männer  auch bei vergleichbarer Qualifikation und Tätigkeit.

Dieser Gender Pay Gap liegt laut Destatis bei rund 18 %. Geringere Einkommen führen zwangsläufig zu geringeren Elterngeldansprüchen.

2. Teilzeitfalle

Ein hoher Anteil von Frauen arbeitet in Teilzeit häufig, um familiäre Verpflichtungen besser erfüllen zu können.

Das hat massive Auswirkungen auf Rentenansprüche, Karriereaussichten und eben auch auf das Elterngeld.

3. Tradierte Rollenbilder

In vielen Familien ist es noch immer „normal“, dass die Mutter länger zuhause bleibt, während der Vater schnell wieder in den Beruf zurückkehrt.

Solche Rollenmuster werden oft unbewusst weitergegeben und durch finanzielle Anreize im Elterngeldsystem sogar noch verstärkt.

???? Elterngeld Plus: Flexibler, aber nicht gerechter?

Seit 2016 gibt es das Elterngeld Plus, das monatlich niedriger ausfällt, aber über einen längeren Zeitraum gezahlt wird. Ziel war es, insbesondere eine partnerschaftliche Aufteilung der Elternzeit zu fördern.

In der Praxis wird dieses Modell jedoch nur zurückhaltend genutzt vor allem von Vätern.

Viele Paare entscheiden sich weiterhin für das klassische Modell: Mutter bleibt zuhause, Vater geht arbeiten.

Zwar ist der Wille zur Veränderung in der Gesellschaft spürbar, doch es fehlen noch politische, kulturelle und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, um echte Gleichheit zu ermöglichen.

???? Was müsste sich ändern?

Die Politik hat das Problem erkannt, doch die Reformen sind oft zaghaft. Was wäre notwendig, um die Unterschiede im Elterngeld zwischen Männern und Frauen tatsächlich zu verringern?

  1. Ausbau der Kinderbetreuung: Vor allem für Kleinkinder unter drei Jahren sind Betreuungsplätze oft rar das verhindert die frühzeitige Rückkehr in den Beruf.

  2. Förderung von Vätern in Elternzeit: Durch gezielte Anreize könnte die Inanspruchnahme durch Väter gesteigert werden etwa durch einen verpflichtenden Anteil oder durch höhere Ersatzraten.

  3. Schließung der Lohnlücke: Ohne Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt wird auch das Elterngeld immer ungleich verteilt bleiben.

  4. Flexiblere Arbeitsmodelle für beide Elternteile: Job-Sharing, mobiles Arbeiten und familienfreundliche Arbeitszeiten müssen Normalität werden.

???? Fazit: Elterngeld als Spiegel gesellschaftlicher Ungleichheiten

Das Elterngeld ist ein wichtiges familienpolitisches Instrument. Es soll Eltern entlasten, Gleichberechtigung fördern und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern. Doch die Realität zeigt: Es reproduziert oft bestehende Ungleichheiten, statt sie zu beheben.

Männer erhalten zwar mehr Geld aber für kürzere Zeit. Frauen bekommen weniger müssen aber deutlich länger verzichten.

Diese Zahlen sind ein Spiegel unserer Gesellschaft und ein Auftrag an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, echte Gleichstellung nicht nur auf dem Papier, sondern auch im Alltag zu ermöglichen.

Eduarda Moura

Eduarda Moura hat einen Abschluss in Journalismus und einen Postgraduiertenabschluss in digitalen Medien. Mit ihrer Erfahrung als Autorin engagiert sich Eduarda für die Recherche und Produktion von Inhalten für WR News, um den Lesern klare und genaue Informationen zu liefern.